Auf den Spuren meiner Highland-Vampire, 1

6. und 7. Juni 2015
Wir schreiben den 6. Juni 2015.
Seit Tagen schon bin ich nervös wie ein Teenie vor dem ersten Date. Schottland! Endlich wieder nach über 20 Jahren. Ja, ja – ich war fast noch ein Kind als ich das erste Mal dort war 🙂 (Wehe einer sagt was!!)
Um 14:45 Uhr startet mein Easy Jet Flug, München : Edinburgh direkt. Im Gepäck unter vielem anderem, zwei Bücher, eine Videokamera, mein Notizbuch und haufenweise Tyne Postkarten.
Bei meinen Abflug in München sind es respektable 35°C, stahlblauer Himmel und kein Windhauch.

Bei meiner Landung in Edinburgh empfangen mich kuschlige 11°C und Sprühregen – waagrechter Sprühregen! So schnell war ich schon lange nicht mehr vom Flieger im Flughafengebäude.
An der Immigration der erste verblüffte Schotte:
„Reason of your trip?“
„Chasing Vampires in the Highlands.“
„Pardon, did you say Vampires??“
„I said: Chasing Vampires in the Highlands! Why, is there anything else out there?“ *unschuldiger Blick*
Totalentgleisung der Gesichtszüge, dann sehr schnell und überraschend:“Oh, are you a writer?“
„How did you find out?“
„Had a good guess. Good luck, I hope you will find your Vampires. Be careful, they might bite!“ (Breites Grinsen)

Koffer trudelt am Gepäckband herbei, ich schnappe mir das leichte Stück (21 kg) und zerre das Ganze nach Draußen. Es regnet noch immer und es ist schweinewindig! Nach kurzer Suche erspähe ich den Bus 38 Richtung Ocean Drive.
Der Einfachheit halber ab sofort alles auf Deutsch:
„Fahren Sie zur Easter Road?“
„Jupp“
„Cool, was kostet das?“
„1,50 Pfund“
Ich zücke meine Börse und halte ihm strahlend eine 5-Pfund-Note hin. Er verzieht bedauernd das Gesicht.
„‚Tschuldigung, nur Coins, ich kann nicht wechseln.“
„Shit! Und jetzt?“
„Geh da schnell rein und wechsle. 1. Stock, im Kiosk.“
„Wann fährst du los?“
„Du hast 8 Minuten.“
„Ui, toll!“
„Du schaffst das!“ (Merke: Schotten sind Optimisten)

Also rase ich, den Koffer hinter mir herziehend, wieder ins Gebäude. Hatte ich schon erwähnt, dass es waagrecht regnete? Im Kiosk erklärt mir die nette Lady, ich müsste was kaufen sonst ginge die Kasse nicht auf. Eine Packung saure Minions (echt lecker) wechselt den Besitzer. Mit Coins in der Hand geht es zurück zum Bus. Der Fahrer grinst mir schon von Weitem aufmunternd entgegen und reckt beide Daumen hoch. Sieht gut aus. Ächzend werfe ich das Geld in den dafür vorgesehenen Schlitz und „flutsch“ schon rattert meine Karte heraus.
„Ich wusste, du schaffst es.“ Der Fahrer ist stolz auf mich. Ich bin es – nachdem ich grob 10 Minuten später wieder atmen kann – dann auch.
Von der über 30 minütigen Fahrt sieht man wenig und so werfe ich mein Handy an (Fonic Eurotarif pro Tag 2 €!!) Die Kleidung mancher Einheimischer verblüfft mich. Aber zugegeben: Winterjacke und Flip-Flops hat was.

In Leith, bedeutet der Busfahrer mir, dass ich angekommen bin. Ich atme seit einer ganzen Weile wieder normal und bringe daher mühelos ein lässiges Grinsen zustande, verabschiede mich und  eile in Richtung unseres Guest House.
Das mit dem Regen hatten wir schon, stimmts?
Anyway, nach 10 Minuten bin ich total nass und durchgefroren am Thistle Guest House angekommen. Ich muss einen Code eintippen, um an meinen Schlüssel zu kommen. Ungelogen, ich muss erst mal meine klammen Finger warmpusten, ehe ich den Code fehlerfrei schaffe. Drin stelle ich fest, dass mein Riesentrolley nicht mit der schottischen Bauweise kompatibel ist.  Das Treppenhaus ist so eng, dass ich ihn vor mir herschieben muss. Danach ist mir immerhin wieder warm. Das blieb es auch, denn in dem putzeligen Zimmerchen werfe ich erst mal alle Heizungen an – volle Kanne. Inzwischen ist es kurz nach sechs Uhr und ich beschließe, das Zimmer nicht mehr zu verlassen. Nach einem etwa 45 minütigen Kampf mit der Duschvorrichtung gewinne ich und dusche gleich mal ne Viertelstunde. Wer mich ärgern will, muss früher aufstehen: Doofdusche 😀
Nach ungefähr 2 Litern schottischem Tee, einem Müsliriegel und einer guten halben Packung sauerer Minions (gesund ohne Ende) beschließe ich den Tag mit einer sehr seltsamen schottischen Fernsehsendung.
Ach ja, es hat tatsächlich aufgehört zu regnen.

7. Juni 2015

Heute kommt Steffi, aber erst am Nachmittag. Draußen scheint die Sonne (!!) und ich hab Hunger wie blöd. Merke: Tee und Minions sind keine Dauerlösung!
Also frage ich unseren Gastgeber Dean wegen Frühstück. Der druckst etwas schuldbewusst herum, ehe er gesteht, dass alle anderen das Frühstück nicht gebucht haben und er nun gar nichts zu essen da hat. Er fragt, ob er mir mehr Tee hochbringen soll, ich denke an Steffi und stimme zu. Mit nur vier Teebeuteln kommt Steffi keine 2 Stunden aus 🙂
Ich mache mich mit der Kamera und dem Handy auf den Weg und lasse mich durch Leith treiben. Keine Bange, nicht wörtlich, es regnet ja nicht mehr…
Am Hafen bin ich begeistert. Aus alten Lagerhäusern wurden sakrisch coole Wohngebäude. Memo an mich: Als Stadtwohnung in Edinburgh ganz akzeptabel!

Neue Hafenanlagen, Edinburgh

Neue Hafenanlagen, Edinburgh

Ich knipse mich durch das Viertel, bis ich das verzweifelte Knurren meines Magens nicht länger ignorieren kann. Seufzend trabe ich los, auf der Suche nach Nahrung. Die finde ich in einem Sandwich-Shop der grob geschätzt 200 Sorten davon hat. Mir genügen 2 superleckere und frischer O-Saft (in Schottland kannst du echt gesund leben… wenn du die Minions wegläßt). 15 Minuten später sitze ich im Stadtpark von Leith auf einer Bank und wirke dem Hungertod entgegen. Die Sonne scheint ein schlechtes Gewissen zu haben wegen gestern und strahlt unverdrossen von einem wolkenlosen Himmel. Ich bin fasziniert wie viele unterschiedliche Sprachen ich höre. Italienisch, spanisch, holländisch, französisch kenne ich, russisch glaube ich zu kennen und indisch sieht man am Sprecher. Immerhin, die Lady im Shop hat englisch gesprochen …. glaube ich zumindest. Schottischer Dialekt, ihr wisst was ich meine. Ich mache es mir auf meiner Parkbank gemütlich, klemme mir Rapalje auf die Ohren, hole meinen Kindle raus und lese „Der Junge der Träume schenkt“.

Dabei habe ich konstant den etwa 20 Meter Luftlinie entfernten Eingang unseres Guesthouse im Blick.
Um kurz nach 18:00 Uhr wuchtet eine große, hübsche, rothaarige Frau ihren Trolley durch das Gartentürchen: Steffi ist da!
Sofort wird das Gepäck verstaut, ein wenig geklönt, Buserfahrungen ausgetauscht:
„Was? Du konntest bis hierher fahren?“
„Ja, schon.“
„Ach, mich hat er irgendwo abgesetzt mit den Worten: Ich bin spät dran, heute fahre ich nicht durch.“
„Oh, das tut mir leid für dich.“
„Na ja, er hat mir immerhin die Richtung gezeigt in die ich muss. Wenn auch etwas vage.“
Wir entschädigen uns mit einem schönen Bummel durch Leith, den Hafen und ein paar faszinierende, alte Straßenzüge.
Als wir uns nicht entscheiden können, wo wir essen, fragt Steffi rotzfrech einen Gast der aus einem Lokal kommt:
„Hallo, eine Frage: Ist das Essen da drin gut?“
Der grinst uns breit an: „Der beste Fisch der Welt. Ich ess hier andauernd!“

Passt! Wir gehen rein. Das Abendessen ist sehr lecker und Steffi gönnt sich eine Edelvariante von „Fish & Chips“. Ich entdecke Irn Bru, eine schottische knallorange Limonade, die so herrlich giftig schmeckt wie meine Brause aus Kindertagen und mich von da an durch den ganzen Urlaub begleitet.

Um 22:00 Uhr ist es noch immer taghell und wir fabrizieren im Park bei untergehender Sonne unser erstes „Shorty“, also eines der Videos mit denen wir euch täglich „beglückt“ haben. Mit der Planung des nächsten Tages wird es Mitternacht und wir beschließen – in der dezenten Hoffnung auf coole Highland Träume – endlich zu schlafen!