Auf den Spuren meiner Highland Vampire, 4

Wir schreiben den 10. Juni 2015. Dundee, strahlender Sonnenschein!
Jims Sofas waren zwar ein wenig durchgelegen, aber wir waren so hundemüde, dass uns das nicht wirklich gestört hat. Gegen 9 Uhr schrauben wir uns aus der weichen Unterlage, duschen und räumen erst mal Jims Wohnzimmer so auf, dass er es wieder bewohnen kann 🙂
Im Anschluss daran traben wir leise in die Küche. Jim ist schon wach und sitzt mit einem Halbliterpott Tee in der Küche.

„Mädels, gestern habe ich euch bedient. Heute kennt ihr euch hier aus und wisst wo alles ist. Fühlt euch wie zuhause.“
Schmunzelnd durchforsten wir seine Küche, finden zwei adäquate Teetassen und Müslischalen. Während wir unser Frühstück genießen, deckt Jim uns mit den Informationen zu den Sehenswürdigkeiten auf unserem heutigen Weg ein.

Apropos – unser heutiger Weg! Da waren sie wieder, meine drei Probleme: Großstadtverkehr, Linksverkehr, Aberdeen! Stimmt, da war ja was. Ich ignoriere geflissentlich die aufsteigende Panikattacke und widme mich Jims Erzählungen über ein traumhaftes Schloss. Den Namen kenne ich: Dunnottar Castle.
„Ihr müsst da hin, hört ihr? Fahrt da ja nicht vorbei!“
Wir nicken pflichtschuldigst, räumen unser Zeug auf und verabschieden uns nur sehr ungern von Jim und Marketa, zwei unbeschreiblich liebenswerten Menschen.

Keine 10 Minuten später sitzen wir wieder im Auto und Steffi lotst mich aus Dundee hinaus. Das muss man sich ungefähr so vorstellen:
„Du fährst jetzt immer geradeaus. Irgendwann kommt ein Hinweisschild nach Dunnottar hat Jim gesagt. Kannst nix falsch machen.“ Steffi rutscht zufrieden in ihren Sitz und ich fahre dann eben mal geradeaus.
Kaum aus Dundee heraus (die Gegend um die Hafenregion ist echt schön, lohnt sich anzusehen!) verändert sich die Umgebung. Sanfte Hügel und es wird immer grüner. Ich fahr dann mal weiter geradeaus.
Jim meinte vorhin das dauert etwa ne halbe Stunde. Hatte ich das mit den schottischen Zeitangaben schon mal erwähnt??

Nach grob einer Stunde kommt das ersehnte Schild: Dunnottar Castle. Ich biege ab und finde mich auf einer meiner geliebten engen Straßen. Macht aber nix, die Schotten sind echte Kavaliere. Zwar kommen sie in einem Affenzahn auf dich zu, schaffen es aber von 100 auf 0 in etwa 2 Sekunden zu bremsen.
Wir erreichen einen großen Parkplatz mit einer der saubersten Toiletten die ich jemals gesehen habe. (Das muss jetzt mal erwähnt werden: Schottland hat – so meine Erfahrung – die saubersten öffentlichen Klos. Ist ja schließlich auch wichtig…) In etwa 100 Meter Entfernung kann man das Schloss erahnen und wir machen uns auf den Weg.

Dunnottar Castle, Tyne 1 und ich

Dunnottar Castle, Tyne 1 und ich

Wer mich kennt, der weiß, dass ich selten um Worte verlegen bin. Der erste Eindruck von Dunnottar Castle aber hat mich schon sprachlos werden lassen. Dieses Gebäude strahlt noch heute eine Größe und Würde aus, die ihresgleichen sucht. Direkt an die Klippen gebaut, rollen unten die Wellen der Nordsee an die Felsen, während Möven kreischend über das ehrwürdige Gemäuer fliegen.

Steffi ist quasi sofort verschwunden und sucht die besten Fotopoints. Ich selbst schultere die Kamera und lasse meinen Blick durch das Objektiv über das alte Schloss schweifen.

Wer von euch kennt das: Ihr seht eine Ruine (hier eine gut erhaltene) plötzlich fangen die Mauern an, sich vor euren Augen wieder aufzurichten. Fahnen beginnen auf den sich aufrichtenden Zinnen zu wehen und Menschen erscheinen im Schlosshof.

Dunnottar Castle, 2015

Dunnottar Castle, 2015

Man hört das Wiehern von Pferden und dann sieht man wie die Countess of Erroll auf ihrem Wallach über die Brücke trabt, in ihrer Begleitung der Duke of Hamilton.
Kennt ihr nicht? Also ich jetzt schon!!

Es fällt uns beiden sehr schwer, uns von Dunnottar und den zahllosen Geschichten, die es uns alleine während wir es ansehen, erzählt, zu verabschieden. Leider drängt auch heute die Zeit und Aberdeen wartet auf uns.

 

Nun ja, Aberdeen, die „graue Stadt“. Wir haben Glück! Bei strahlendem Sonnenschein fahren wir durch die proppevollen Straßen und Steffi hat Recht: Der graue Granit funkelt im Sonnenlicht. Wir finden – zu meiner großen Freude – eine Parkgarage in der City und schultern wieder einmal unsere Kameras. Steffi dreht den Part zu ihren Vampiren aus Absecon, erzählt kurz die Story dazu und schon laufen wir weiter.

Friedhof, Aberdeen

Friedhof, Aberdeen

Auch in Aberdeen gibt es Ecken, die faszinierend sind. Wir filmen einige davon, ehe wir uns, nachdem wir durch eine schmale Gasse gelaufen sind, unversehens auf einem uralten Friedhof und neben einer sicherlich kaum jüngeren Kirche wiederfinden. Der Friedhof begeistert uns natürlich sofort. Mitten im lauten, wuseligen Aberdeen ist auf einmal die Zeit stehen geblieben. Die Grabsteine sind teils so alt, dass man sie nur mit Mühe entziffern können. Nur ungern geben die Gräber ihre Geheimnisse preis. Einige entlocken wir ihnen. Wie das Grab einer ganzen Familie von Händlern, bei denen dabei steht, dass sie erfolgreich das Familienimperium aufbauten – im Jahr 1801!

Spontan beschließen wir, das Video des Tages auf diesem Friedhof zu drehen, Steffi liest einen Abschnitt aus Absecon vor und erzählt dann die Geschichte des Friedhofes.
Ihr wisst, was jetzt kommt?
Jupp, genau, die Zeit drängt. Aber etwas lassen wir uns nicht nehmen. Andächtig betreten wir eine riesige Buchhandlung mitten in Aberdeen. Als wir erzählen, das wir Autorinnen auf den Spuren ihrer Bücher sind, dürfen wir filmen. Wir stellen unsere Traumbücher vor – denn leider finden wir unsere Werke noch nicht in den Regalen. Ach ja, dabei möchten wir kurz erwähnen, dass die schottische Bevölkerung – also die, mit denen wir geredet haben – einhellig der Meinung war, dass unsere Bücher dringendst übersetzt werden müssen. *hinthinthint hüstel*
Zurück im Parkhaus wird die Karte ausgepackt und der Weg zu unserem nächsten Ziel gesucht. Balmedie!

Steffi warnt mich vor: „Das ist schön dort. Ich glaube,du wirst das mögen.“
Ich setzte mich hinters Steuer und freue mich darauf, endlich allen Großstädten, zumindest für ein paar Tage, den Rücken zu kehren. Im Kreisverkehr fahre ich bei Grün (ja, die haben Ampeln im Kreisverkehr) los und stelle verblüfft fest, das ich einem Schotten die (angebliche) Vorfahrt genommen habe. Ich lächle pflichtschuldigst und sein Gesicht spricht Bände („Touriblondine“). Ich lass es ihm durchgehen und wir lassen Aberdeen hinter uns. Eine gute halbe Stunde später stehe ich mit offenen Mund staunend in einer anderen Welt – in den Dünen von Balmedie.

Balmedie, 2015

Balmedie, 2015

Abgesehen davon, dass hier in Absecon Steffis Vampire anlanden, ist diese Gegend auch sonst absolut faszinierend. Es sieht nicht wirklich nach Schottland aus, eher nach Südsee (okay, ohne Palmen) oder Sylt… es ist himmlisch. Ich setze mich auf eine Bank in die Sonne und will nicht mehr weg.

Steffi dreht ihren Videopart mit der großen Kamera und ich will immer noch nicht weg.
Mittlerweile ist es nach 5 Uhr und als mein Magen knurrt sieht Steffi ihre Chance.
„Gehen wir doch jetzt in den Coffee Shop an dem wir vorhin vorbeigefahren sind.“
Das sind zwar echt unfaire Mittel, aber mein Magen klingt bedrohlich. Welch Wunder – er hat seit um 10 nichts mehr bekommen.
Wir essen im Balmedie Seaside Coffee Shop zu Abend (Irn Bru!!!) und überlegen, wo wir des Nächtens unsere müden Häupter betten. Für die folgende Nacht haben wir noch keine Unterkunft.

Steffis Argument, dass wir einfach schon mal in die Highlands losfahren sollten hat was. Wir entscheiden uns für einen Ort namens Huntley, der angeblich viele Bed & Breakfast Möglichkeiten bietet. Also verlassen wir Balmedie (da muss ich nochmal hin!!) und beginnen unsere Fahrt in das schottische Hochland.
Drei Mal stimmen Karte und Wirklichkeit nicht überein und so fragen wir in einem winzigen Ort nach dem Weg. Steffi war DIE Sensation des Tages, Oma, Mutter, Kind, Tante, alle kommen aus dem Haus und beschreiben ihr den Weg. Endlich mal Action! 🙂 10 Minuten sollte es bis zur nächsten T-Kreuzung dauern, dort dann rechts und immer geradeaus.
Ihr wisst schon – schottische Zeitangaben!!  Eine gute halbe Stunde später erreichten wir die T-Kreuzung und etwa eine Stunde später Huntley.
In den schmalen Straßen der kleinen, hübschen Stadt fährt der Fremde vorsichtig, der Schotte…na ja… Ich weiche einem entgegenkommenden Kastenwagen aus, der aber sehr weit zur Seite fährt, um mich vorbei zu lassen. Erfreut strahle ich den Fahrer an und sehe – es lohnt sich auch noch 🙂
Gaby: „Steffi , siehst du, schon wieder ein cooler Schotte. (Der Kerl sah aus wie Sean Connery in Highlander). Da musst du lächeln! Das rentiert sich. Sonst klappt das nie mit der schottischen Heirat.“
Steffi(grumpy): „Den hab ich schon wieder nicht gesehen.“
Gaby: „Ich seh schon, das üben wir nochmal.“

Mittlerweile sitze ich seit 7 Stunden hinterm Steuer. Die letzte Stunde gegen die untergehende Sonne. Meine Augen tränen und ich komme an meine körperlichen Grenzen. Leider finden wir das avisierte Bed & Breakfast nicht, dafür sehe ich aus dem Augenwinkel im Vorbeifahren ein total süßes Guesthouse ..mit 4 Sternen. Das ist mir in dem Moment auf gut bayrisch „wurscht“ und ich fahre auf den nächsten Parkplatz.

Steffi läuft zum Guesthouse und wir bekommen das letzte Zimmer. Ich bin ausgesprochen happy, schleppe meinen Koffer in ein bezauberndes Zimmer mit großem Bad und stelle mich eine halbe Stunde unter die Dusche. Nachdem ich mir zwei Teebeutel auf die Augen geklatscht habe, tendieren diese ganz langsam wieder back to normal. Wir lassen den Tag Revue passieren und stellen fest. Trotz allem – es war richtig geil!
Gegen 11 (es ist noch hell) schlafe ich ein und träume prompt von Sean Connery (oder vielleicht wars auch der Kastenwagenfahrer) und davon, dass ich mit ihm auf Dunnottar Castle lebe… im Ernst, Leute, an den Traum könnt ich mich gewöhnen!

Bis Morgen dann!!