Auf den Spuren meiner Highland Vampire, 2

Guten Morgen 😉

Wir schreiben den 8. Juni 2015 und (yesss) wir sind endlich gemeinsam in Schottland. Die Betten im Thistle Guesthouse sind bequem, die Wände dünn, was zur Folge hat, dass wir zwangsweise aufwachen, als die Nachbarn sich entschließen abzureisen. Wir dösen noch ein wenig, bis uns der Hunger runter in den (leeren) Frühstücksraum treibt und wir Deans Nichte ein wenig löchern, wo man am besten frühstücken kann. Das Bijoux ist gleich an der nächsten Ecke und uns wird versichert:
„Die haben jetzt offen!“
Steffi und ich traben zum Bistro, um es geschlossen vorzufinden. Die Rollläden sind zu und nur eine Flügeltüre leicht angelehnt. Steffi kennt da nix. Sie marschiert rein und fragt höflichst, wann sie denn aufmachen.
„Um 10:00 Uhr.“
„Okay, jetzt ist es halb elf?!“
„Ähm, ja dann also in etwa 20 Minuten.“
Merke: Zeitangaben in Schottland sind eher so ne Richtlinie, aber dazu später noch mehr.
Eine halbe Stunde später sind die Rollläden halb oben und wir dürfen rein. Speisekarte und Lokal sind ziemlich cool und daher frage ich, ob ich filmen darf.
Große Augen!
„Filmen? Klar, aber wart mal!“
Es kommt Leben in den Wirt, ziemlich viel Leben. Er rast nach draußen, es scheppert etwas an den Rollläden, dann werden sie alle ganz nach oben gezogen, die letzten Stühle kommen von den Tischen, Fenster werden wahlweise geschlossen oder halb hochgeschoben.
2 Minuten später:
„So, das ist doch besser. Jetzt hast du es hell für deinen Film.“ Ich mag die Schotten!
Nach einem sehr feinen schottischen Frühstück (nein, kein black pudding!!) planen wir den Tag durch. Edinburgh ist groß und es gibt viel zu sehen. Am Wichtigsten heute ist aber unser Besuch bei Paul Macdonald. Paul ist einer der letzten echten (Waffen-) Schmiede und wir haben einen Termin in seiner Werkstatt bekommen. Dürfen ihn interviewen und filmen.
Daher wird der Rest des Tages quasi um Paul „herumgestrickt“. Im Bistro versicherte man uns glaubhaft, dass es von hier bis zur City abolute Walking-Distance sei. 20 Minuten – höchstens.
Merke: Entfernungsangaben sind in Schottland ebenfalls eher Richtlinien – aber auch hierzu später mehr.
Eine Stunde später sind wir in der City, laufen über die Waverly Bridge, die uns (wir hatten Glück, wenn ihr unter 1,60 seid seht ihr…nüscht, es wurden ziemlich hohe Mauern gebaut, um die Brücke zu begrenzen) einen traumhaften Blick auf die Altstadt Edinburghs gönnt. Von dort aus durch die Princess Street Gardens vorbei am Scott Monument, dessen 287 Stufen wir milde lächelnd links liegen lassen. Man kanns ja übertreiben.

Edinburgh Castle

Edinburgh Castle

Wir schaffen es zum Edinburgh Castle, wo sich quasi die halbe Welt trifft. Wir lernen einen netten Amerikaner kennen, der sofort unsere Bücher lesen möchte. Tja, wird Zeit für ne Übersetzung 🙂

Die Zeit vergeht rasend schnell und wir machen uns zügigst auf den Weg zu Paul Macdonald. Der Waffenschmied von Edinburgh ist ein verdammt cooler Typ und erzählt uns fast eine Stunde lang mit Begeisterung von seinem Handwerk.

Ich darf eines der Schwerter in Händen halten, mit dem Daniel, Steward und Andrew im Jahr 1587 am Loch Arkaig gekämpft haben. Ich bin total überrascht, dass das Teil leicht zu handhaben ist und ein „Korb“ schützt zusätzlich die Schwerthand. Pauls Werkstatt ist ein Fundus an alten Waffen, Messern, Schwertern, Schilden. Es ist ein bisschen wie Weihnachten für Autoren von Fantasy- und Historienromanen.

Die Drei aus der Schmiede :-)

Die Drei aus der Schmiede 🙂

Am Schluss zeigt uns Paul noch, wie ein richtig scharfes Messer gemacht wird. Er spannt das Teil in seine Werkbank und reicht uns grinsend einen Satz „Mickymausohren“.
„Setzt die lieber auf, das könnte etwas laut werden.“
Er selbst setzt die Dinger zwar auch auf, verzichtet aber männlich, martialisch auf solche Banalitäten wie Schutzbrille etc. Die deutsche Berufsgenossenschaft würd wahrscheinlich durchdrehen, Paul sieht es gelassen.
„Mir passiert nichts!“
Die Funken fliegen durch die Werkstatt und wir fühlen uns um Jahre zurückversetzt – okay, von der Flex mal abgesehen 🙂

Später laufen wir noch über die Royal Mile, durch zahllose Gassen und Straßen, um endlich todmüde und fix und foxi wieder auf der Princess Street zu landen. Wir organisieren uns bei Marks & Spencer sauleckere Salate und Sandwiches, setzten uns auf eine Bank in den Princess Gardens und fühlen uns, während wir unseren Zuckerhaushalt auf Vordermann bringen, schon ziemlich schottisch. Es ist spät, als wir Rucksäcke und Kameras schultern und uns auf den Rückweg machen – zu Fuss, …ist ja Walking Distance …*grgl*
Endlich zurück im Thistle rechne ich nach und stelle fest (Mathe lohnt sich doch ab und an), dass wir geschlagene 7 Stunden durch die schottische Hauptstadt getigert sind. Das könnte erklären, warum ich meine Beine nicht mehr spüren kann. Wir sind müde aber begeistert. Edinburgh ist eine Wucht!! Man braucht mindestens 3 Tage, um alles vernünftig zu sehen – nächstes Mal dann!

Traurige Meldung am Rande: Das „The George“ dem ich in Tyne 1 ein liebevolles Denkmal gesetzt habe, nachdem ich vor über 20 Jahren dort zwei Mal wohnen durfte, hat leider nichts mehr mit dem einstmals so wunderschönen Haus zu tun. Wo man einst die Tradition der Freundlichkeit und Gastfreundschaft hoch hielt, herrscht heute Unpersönlichkeit und Snobismus. Das Haus wurde in den letzten Jahren grundsaniert. Offenbar war man hier zu gründlich, denn die Tradition, die Herzlichkeit und das edle Flair der schottischen Geschichte wurden gnadenlos mit wegsaniert. Auf unsere Bitte, in der Halle filmen zu dürfen und jemanden vom Management zur Geschichte des Hauses befragen zu dürfen, erklärte man uns kurz und bündig: Wir haben alles umgebaut, das Haus hat sich verändert. Vom Management kann Ihnen in Sachen Geschichte niemand zur Verfügung stehen. Da hat wohl jemand die Geschichte gleich auch noch plattsaniert. Aber immerhin bleibt mir die Erinnerung, die sich in den schönen Erlebnissen meiner Protagonisten im „The George“ wiederspiegelt.

Und morgen geht es richtig los … mit dem Auto …bei Linksverkehr..oh Mann, mir bleibt auch nichts erspart!